05.02.2013

Der Rundfunkbeitrag als Symbol kultureller Entmündigung

Unser Kollege aus Freiburg, Werner Breimhorst, lehnt die Zahlung des Rundfunkbeitrages ab, weil er findet, dass es in einem modernen demokratischen Staat nicht sein darf, dass ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk in der Weise und in dem Umfang im Bereich des Kultur und der freien Medien tätig wird, wie es derzeit in Deutschland geschieht.

Werner Breimhorst: Der Rundfunkbeitrag - Symbol kultureller Entmündigung

6 Kommentare:

Stefan Oertel hat gesagt…

Am Schluss des Textes bin ich über zwei Sachen gestolpert.

1) "Die Akkreditierung einer Schule (oder von Hausunterricht) stünde nach meiner Meinung einem pädagogischen Gremium des Geisteslebens zu."

Warum die Akkreditierung durch etwas anderes als die Menschen, die die Sache direkt durch ihre finanzielle Unterstützung ermöglichen? Wer unterstützt wird, ist akkreditiert, wer nicht unterstützt wird, ist durchgefallen. Fertig. Freilich, wenn sich einige Personen entscheiden, solche ein Akkreditierungsgremium zu gründen, damit es ihnen bei der Beurteilung bspw. eines pädagogischen Angebotes hilft - warum nicht? Aber wer auf das Gremium nicht hören will, muss die Möglichkeit haben, solche Schulen zu gründen oder zu unterstützen, die anders oder gar nicht "akkreditiert" sind. Darin besteht doch gerade die Freiheit.

2) Hermannstorfers Gedanken zur Trennung von Kultur-Leistung und Kultur-Infrastruktur sind mir nicht nachvollziehbar. Wenn man beides jeweils separat über verschiedene Formen von Schenkung finanziert, wer bestimmt dann, welcher Kulturschaffende die Infrastruktur nutzen darf und welcher nicht? Sinnvoller wäre es, wenn der Kulturschaffende die Infrastruktur, die er haben will wie eine Ware bezahlen muss. Schließlich kauft jeder Maler die Leinwände, auf die er malen will ja selbst. Und jede Schulinitiative baut oder mietet sich ihr Schulhaus. Diese "Materialkosten" sind Kosten, die der Kulturschaffende an diejenigen weiterleiten muss, die ihn unterstützen wollen. Sie und sein Einkommen bilden eben den Preis der kulturellen Leistung. Dadurch entsteht erstens Transparenz (man sieht, was eine kulturelle Unternehmung im gesamten kostet, was sie für einen Aufwand bedeutet) und zweitens wird wirklich die Infrastruktur geschaffen, die auch gewollt wird.

Das Beispiel Funkhaus aus dem Text: Das Bauen und Betreiben des als rein technische Angelegenheit anzusehenden Funkhauses ist eine Leistung des Wirtschaftslebens. Ein Radiosender kann sich da einmieten, kann das Haus kaufen oder was auch immer. Die Kosten dafür leitet er weiter an diejenigen, die den Sender eben haben wollen.

Jede andere Lösung erschiene mir etwas seltsam. Man stelle sich z.B. vor, dass Schulhäuser als "Kultur-Infrastruktur"-Maßnahme über irgendeine Steuer von irgendeiner zusammenfassenden Instanz des Geisteslebens quasi ins Blaue hinein gebaut würden, während von der anderen Seite Schul-Initiativen versuchen müssten, den Fuß in die Tür eines ihren Ansprüchen entsprechenden Schulhauses zu bekommen.

Werner Breimhorst hat gesagt…

Antwort auf die Fragen von Stefan Ortel:

1) Vielleicht sollte ein anderer Begriff als Akkreditierung gewählt werden, der ja der Rechtssphäre entlehnt ist. Prinzipiell stimme ich überein, dass im freien Geistesleben alles möglich sein muss.
Auf der einen Seite können die Schulen eigene Auswahlprüfungen machen oder die Auswahl an externe Einrichtungen vergeben. Diese Einrichtungen könnten ja auch im Sinne von Arbeitsteilung eine Einrichtung eines bestimmten Schultyps einer größeren Region sein.
Auf der anderen Seite kann jedes Elternpaar oder Kind Schüler die Schulangebote selbst „durchforsten“ und prüfen. Aber auch hier könnte Arbeitsteilung und Hilfe gewünscht sein und sich Einrichtungen bilden, die diese Hilfeleistung anbieten. Ich wollte in diesem Sinne sagen, wenn schon Akkreditierung, dann soll diese im Geistesleben selbst entwickelt werden, allein aus pädagogischen, geistigen Notwendigkeiten.

2) Auch zur Frage der Infrastruktur ist vieles denkbar und für mich noch nicht abschließend klar. Begriffe der Wirtschaft wie Querfinanzierung oder Anschubfinanzierung für Kulturbereiche, die als wertvoll erkannt werden oder gerade erst im Entstehen begriffen sind und nicht gleich eine volle Kostendeckung erbringen können, mögen hier einen Fingerzeig geben. Die Trennung bietet sich auch nicht überall im Kulturgebiet an, wahrscheinlich nur eher dort, wo große Anfangsinvestitionen nötig sind, um die Leistung erbringen zu können.

Es geht auch um die zeitliche Dimension, wie kann Infrastruktur als der „Boden des Kulturlebens“ auf dem viele „Kulturpflänzchen“ gedeihen wollen, so vorbereitet werden (Zukunft) oder so erhalten werden (Vergangenheit), wie es die Menschen mit ihrem jeweiligen Kulturverständnis für notwendig erachten. Transparenz ist dabei nötig, aber nicht das einzige Ziel. Was wollen wir uns leisten an Kultur, 2 Fernsehkanäle oder 20? Buchhaltung könnte auch bei Trennung Transparenz ermöglichen, aber es geht hier um kulturelle Willensbildung über Zeiträume und größere Personenkreise als die jeweiligen Liebhaber einer einzelnen Kulturleistung oder Kulturinitiative.

Beispiel: Ein Maler möchte ausstellen, findet keine Galerie. Nun wäre es denkbar er baut eine eigene Galerie. Dazu ist heute viel Geld nötig. Oder aber er möchte nur vorübergehend ausstellen in einer Galerie, die er nur zeitweise belegt. Dann wäre eine öffentlich-freie Trägerschaft denkbar und für die wäre die Infrastrukturfinanzierung sinnvoll. So könnten die Kosten des Galeriebaues auf viele Nutzer über die Länge der Nutzungszeit verteilt werden.

Zum Ins-Blaue-Bauen von Schulhäusern: Wie der (Kultur-)Bauer sein (Kultur-)Feld vorbereitet, so macht er dies nur im Vertrauen darauf, dass das Interesse an seinen (Kultur-)Pflänzchen da ist. Der Bauer wäre hier vergleichbar mit einer größeren Kulturregion, in dem es durchaus eine „zusammenfassenden Instanz des Geisteslebens“ geben wird. Wie anders sollte notwendige Kooperation und Koordination erfolgen, die heute ja auch von der Kulturverwaltung im Staat erledigt wird. Der Unterschied besteht in der Art der Verwaltung, die heute auf Mehrheitsentscheide und Weisungen von oben und zukünftig auf Freiwilligkeit und Kooperation der Interessierten von unten aufbaut.
Jeder Acker hat dennoch Grenzen, jedes Funkhaus begrenzte Sendezeit und Frequenzen, jede Region eine bestimmte Schülerzahl. Was nützt einer Schulinitiative der Fuß in der Tür, wenn sie später keine Schüler im Klassenzimmer hat.

Zusammenfassend geht es nicht darum ohne Grund etwas zu komplizieren: Die Trennung ermöglicht es, die Finanzierung auf Personenkreise und Zeiträume zu übertragen, die nicht unmittelbar von Kultur profitieren, aber mittelbar. Das mag komplexer erscheinen, wäre aber nicht ein Ins-Blaue-Bauen, sondern das Vertrauen auf bestimmte allgemeine Kulturbedürfnisse, die jedoch möglichst viele Menschen kooperativ in Entscheidungsprozesse artikulieren sollten.

Stefan Oertel hat gesagt…

Vielen Dank für Ihre Antwort!

Was Punkt 2) betrifft, durchschaue ich vieles auch noch nicht, ich stelle mir aber vor, das sich das Geistesleben seine Voraussetzungen (Galerien, Funkhäuser usw.) aus seinem eigenen Bedarf heraus schaffen kann. Alles andere erscheint mir konstruiert. Natürlich baut der Maler nicht seine Galerie, aber die Menschen an einem Ort können ja, ebenso wie sie den Maler direkt unterstützen, einen Galeriebau direkt unterstützen. Der Maler mietet sich dann da ein und bezahlt durch sein Einmieten die laufenden Kosten der Galerie (an diesem Punkt eigentlich ein Prozess des Wirtschaftslebens, er "konsumiert" sozusagen). Die Zwangsfinanzierung der sogenannten Infrastruktur der Kultur über öffentliche Mittel wäre doch nur wieder der Anfang einer "Kulturpolitik", und nach meinem Verständnis ist doch "Kulturpolitik" gerade das, was überwunden werden muss. Man müsste über die Verwendung von Geld aus einem öffentlichen Topf ja doch wieder direkt oder indirekt demokratisch abstimmen, egal ob die entscheidenden Instanzen nun Gremien des Staates oder des freien Geisteslebens sind. Aber die Demokratie wollen wir ja aus dem Geistesleben gerade heraushalten, oder verstehe ich das falsch? - Zugegeben, meine Überlegungen sind vielleicht abstrakt und könnten auch ein Holzweg sein. Das Leben muss am Ende zeigen, was richtig ist. Aber wenn sie fragen, wieviele Fernsehsender "wir" uns leisten wollen: meinen Sie mit "wir" dann nicht doch wieder die Gesellschaft als Ganzes? Und gerade dieses Ganze der Gesellschaft ist ja eben nicht die Instanz die im Geistesleben agieren soll. Im Geistesleben haben wir - nach meiner vielleicht etwas anarchisch-bunten Vorstellung - das freie Neben- und Gegeneinander der verschiedensten Wirs und Iche. Aus diesen verschiedensten Impulsen heraus muss sich irgendwie das Ganze ergeben, nicht aus der allgemeinen Gesellschaft, der allgemeinen Öffentlichkeit heraus.

Beste Grüße aus Mannheim,
Ihr Stefan Oertel

Werner Breimhorst hat gesagt…

Antworten auf Stefan Oertel:
Gern gehe ich auf diese Fragen ein:

1. Zu der Aussage: „Die Zwangsfinanzierung der sogenannten Infrastruktur der Kultur über öffentliche Mittel wäre doch nur wieder der Anfang einer "Kulturpolitik"“
Wenn wir mal von einem Übergangsszenario sprechen wollen, also vom „Ist“ zum ersten Schritt eines „Soll“, dann wäre die Trennung in staatliche Zwangsfinanzierung einer Infrastruktur einerseits und in freiwilligen Finanzierung einer engeren Kulturleistung, die diese Einrichtungen „kostenlos“ in Anspruch nimmt, andererseits durchaus nicht „nur wieder der Anfang einer ‚Kulturpolitik’“. Heute ist ja beides „Kulturpolitik“; auch die engere Kulturleistung wird zwangsfinanziert. Somit wäre das Gegenteil richtig, es wäre der Anfang vom Ende einer Kulturpolitik.
Das ist ja gerade der Reiz, den ich in dem Vorschlag von Udo Hermanntorfer entdecke, dass er an den gegebenen Verhältnissen anknüpft und die Möglichkeit bietet, „Kulturpolitik“ langsam aufzulösen und die Menschen dorthin „mitnimmt“, wo ihr Bewusstsein hinreicht.

Mit meinem Aufsatz hatte ich allerdings dieses Übergangsszenario weiter entwickeln wollen und versucht den Gedanken der Querfinanzierung allein innerhalb eines sich selbst verwalteten Kulturlebens darzustellen. Das hätte den Vorteil, dass anders als heute, Kulturausgaben nicht schnell hinfällig werden, weil Politiker verplante Mittel für „wichtigeres“ einsetzen wollen und damit die Querfinanzierung zwischen Rechtsleben und Geistesleben erfolgt. Dies setzt natürlich voraus, dass es bereits ein entwickeltes, sich selbst verwaltendes Kultur- und Geistesleben gibt bzw. die Menschen ein Bewusstsein für die Notwendigkeit eines solchen erkannt haben, wozu ich heute erst kleine Anfänge wahrnehme. Insofern sollte damit ein Modell als Zielbestimmung gezeigt werden.
Außerdem wird es fließende Übergänge geben und kein starres Abtrennen: Ich meine es kann doch durchaus Einrichtungen geben wo ein allgemein-menschliches Interesse (z.B. das nach stationärer Krankenversorgung) mit dem individuell-menschlichen Interesse (z.B. nach anthroposophischer Medizin) so in Einklang kommen, dass z.B. das Krankenhaus aus Steuern finanziert wird, die Ärzte, Pflegepersonal, Geräte und Medizin aus freiwilligen Zahlungen. Große Investitionen erfordern doch Kooperation (verschiedener Geistesrichtungen), gemeinschaftliche Nutzung, die sich nur dort und insoweit verbietet, wo die Infrastruktur selbst eine bestimmte Gestaltung erfordert.

Viele Grüße aus Stegen
Werner Breimhorst

Werner Breimhorst hat gesagt…

Antworten auf Stefan Oertel (auf 2 Kommentare verteilt, weil je Kommentar nur 4096 Zeichen zulässig):
Gern gehe ich auf diese Fragen ein:


2. Zu der Frage: Aber wenn sie fragen, wieviele Fernsehsender "wir" uns leisten wollen: meinen Sie mit "wir" dann nicht doch wieder die Gesellschaft als Ganzes? Und gerade dieses Ganze der Gesellschaft ist ja eben nicht die Instanz die im Geistesleben agieren soll.
Prinzipiell meine ich damit alle Kulturinteressierten, jeden einzelnen Menschen, der Interesse am Fernsehen hat. Die Gesamtheit dieser Menschen ist mit „wir“ gemeint und damit nicht identisch mit dem Staatsvolk, wie ja die Dreigliederung auch für die einzelnen Gebiete abweichende Grenzen feststellt (womit sich ja auch die Sender nicht mehr an Staatsgrenzen orientieren müssten). Hier spreche ich vom Modell als Zielvorstellung.

Nun zum Übergang (und das müssen wir in der Diskussion bewusst trennen, evtl. habe ich im Aufsatz dies nicht deutlich genug gemacht): Solange auf demokratischen Wege eine „Grundversorgung“ als demokratische Aufgabe festgelegt bleibt, ist es doch opportun, sich als Dreigliederer an dieser Diskussion zu beteiligen und eine möglichst kleine Grundversorgung (wenige Sender, wenige Sachgebiete, wie z.B. nur Information) zu verlangen. Hierauf bezogen meine ich mit „wir“, die Menschen mit Interesse an Rundfunk, die sich aber mit ihren Wünschen zur Zeit nur auf demokratischen, beschränkten Wegen artikulieren können und sozusagen im Staatvolk „aufgehen“. Bei den Massenmedien darf wahrscheinlich eine große Deckungsgleichheit zwischen Staatsvolk und - wenn ich das mal so nennen darf – Kulturvolk unterstellt werden, da recht viele Menschen ein Interesse an ihnen haben, wenn auch die jüngeren Menschen sich zunehmend von ARD und ZDF abwenden, aber gleichzeitig ihre Bedürfnisse auf anderen Wegen wahrnehmen. Doch diese Pauschalisierung hat nur im Rahmen des Übergangs Bedeutung, d.h. solange wir uns nicht durchringen, Rundfunk wirklich in die kulturelle Freiheit zu entlassen. Ist das einmal geschehen, dann muss sich jeder Mensch darum bemühen, dass die Sendungen gebracht werden, die er sehen will: grassroot-tv
„Aus diesen verschiedensten Impulsen heraus muss sich irgendwie das Ganze ergeben, nicht aus der allgemeinen Gesellschaft, der allgemeinen Öffentlichkeit heraus.“ Ja, das sehe ich auch so, aber die ganze Gesellschaft als demokratischer Souverän, muss zunächst dafür sorgen, dass sich der Staat „verkleinert“, damit jeder einzelne Mensch und nicht die Mehrheit in der Kultur entscheidend wird.

Viele Grüße aus Stegen
Werner Breimhorst

Stefan Oertel hat gesagt…

Mir war tatsächlich nicht klar, dass Sie zum Teil Übergangslösungen vorschlagen. Insofern ist mir jetzt verständlicher, von welcher Richtung her Sie denken. - Wobei mir das mit den Steuern im Krankenhaus wieder nicht passen will. Ich habe einfach das Bedürfnis, den Staat aus allen Lebenszusammenhängen herauszudrängen, bei denen das nur irgendwie möglich ist.

Grüße auch aus Mannheim
Stefan Oertel